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Zur
Aktualität der Freien Liebe - Teil II
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Vorbemerkung:
Die
folgenden Gedanken sind eine Zwischenbilanz (Jahr 2002) und kein
endgültiger Schluß auf dem langen und mitunter auch schmerzlichen
Weg der lebendigen Liebe. Einige wesentliche Einsichten dazu habe
ich durch das Studium der Bücher von Michael Lukas Moeller gewonnen.
Glaubt man den Studien, so geben
80 Prozent der bereits geschiedenen Paare an, dass dem Auseinandergehen eine
Affäre vorausging. Demnach geht also den meisten Scheidungen ein Seitensprung
voraus. "Dass Paare erst fremd- und dann auseinander gehen, gehört
in modernen Gesellschaften zum gängigen Beziehungsmuster" (vgl.
Krumpholz-Reichel, in: Psychologie heute compact: Der Alltag der Liebe, Heft
7, S. 30-33, 2002, vgl. auch: Bodenmann 2002).
Zudem wird hier folgendes deutlich: Moralisch gilt ein "Seitensprung"
bzw. eine aushäusige Verliebtheit immer noch als hochgradig verwerflich,
und gleichzeitig scheinen sich viele langfristig an das einander versprochene
Konzept einer gemeinsamen Monogamie nicht halten zu können. "Selber
schuld", denkt hier vielleicht manch einer. So als ob die monogame Liebe
nur eine Sache der moralischen Willensstärke und Disziplin sei. Doch auch
wenn man sich stolzermaßen für die Monogamie entschieden hat und
deren lebendiges Gelingen feierlich vorweisen kann, bleibt wohl fast keinem
Menschen die Auseinandersetzung mit dem Thema der "aushäusigen Verliebtheit"
erspart. Früher oder später muß wohl in jeder Liebesbeziehung
zumindest geklärt werden, wie sich ein Paar zu weiteren erotischen Beziehungen
verhalten will. Ein heißes Eisen!
Den meisten Paaren fällt es also nach wie vor schwer, mit einer aushäusigen Verliebtheit konstruktiv umzugehen. Vielmehr spielen sich hier mitunter dramatische Szenen ab: Eifersuchtsmorde, Abfackeln der häuslichen Wohnung, Selbstmord, jahrzehntelanges Lügen und Verschweigen, Terrorisierung der Kinder, abrupte Trennungen, seelische und körperliche Verletzungen... Ein Leben mitten in der Hölle... Grundsätzlich lässt sich hier feststellen, dass die Mehrzahl der Paare mit der Situation einer aushäusigen Verliebtheit seelisch völlig überfordert sind. Vor dem Tor zur Hölle gelingt es manchen Paaren gerade noch, sich Hilfe von außen zu holen und die vernichtenden Schmerzen und ätzenden Schuldgefühle zu lindern. Viel ist gewonnen, wenn Paare eine aushäusige Verliebtheit als Entwicklungschance für die bestehende Beziehung begreifen können. Dazu später mehr.
Den Grund für diese heillose Überforderung sehe ich indem, was der Paarexperte Michael Lukas Moeller in bezug auf das moderne Paarsterben in seinem "Quintett der Finsternis" geschrieben hat. Daraus ein Beispiel:Moeller kommt zu dem Ergebnis, dass trotz mancher Uneinigkeit in der internationalen Paarforschung ein gemeinsamer Nenner auszumachen ist: die Sprachlosigkeit in der Beziehung.
"Die 'Kommunikationskluft' (communication gap) ist weltweit gesichert. Paare sprechen zu wenig wesentlich miteinander. Das heißt konkret: Sie tauschen ihr Erleben zu wenig aus. Ein durchschnittliches amerikanisches Paar widmet sich einem wechselseitigen Gespräch heute pro Tag nur noch vier Minuten, ein deutsches noch weniger. Davon kann keine Beziehung leben. Die einfachsten Konflikte können nicht geklärt werden, die einfachsten Empfindungen werden nicht mehr geteilt, Trauer, Enttäuschung und entsprechende Zornmengen sammeln sich unterschwellig auf dem Boden der Beziehung als Symptome einer unerledigten Aufgabe, eines nicht gelösten Konfliktes. Damit entstehen über Jahre Verbitterung und wechselseitige Entfremdung bis zum Doppelsingledasein" (Moeller 2000, 47).
Dieser niederschmetternde Befund macht blitzartig klar, dass in heutigen Paarbeziehungen es somit keine Möglichkeit gibt, mit dem heißen Thema einer aushäusigen Verliebtheit konstruktiv umzugehen, da die Bedingungen hierzu nicht vorhanden sind. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Moellers großer Verdienst ist es, seelische Instrumentarien geschaffen zu haben, mit denen sich jedes Paar aus sich selbst heraus entwickeln kann. Moeller bietet Hilfe zur Selbsthilfe: Mit seinem Konzept der "Zwiegespräche" (DYALOG) schafft Moeller für jede Beziehung (nicht nur für Liebespaare) die Möglichkeit, eine bewußtvollere, beziehungsreichere und lustvollere Beziehung gestalten zu können. Ich spreche hier auch aus der eigenen, bewährten Erfahrung mit "Zwiegesprächen", die ich selbst in meinem Beziehungsleben gemacht habe. Für das Verständnis und die Pflege wesentlicher Beziehungen kenne ich kein besseres Konzept als die "Zwiegespräche" und kein anschaulicheres und lehrreicheres als eben dieses. Darum will ich als nächstes in aller Kürze das Konzept der "Zwiegespräche" nach Moeller hier vorstellen:
Vorbemerkung: Der Begründer der Zwiegespräche, Michael Lukas Moeller ist im Juli 2002 nach kurzer schwerer Krankheit zur Bestürzung vieler völlig unerwartet verstorben. Das Lebenswerk von Moeller wird von seiner Frau, Célia M. Fatia, weitergeführt. In zwanzigjähriger gemeinsamer Beziehung entwickelten Michael Lukas Moeller und Célia Maria Fatia das Zwiegespräch als Selbsthilfekonzept für Paare. 1997 bauten sie gemeinsam "DYALOG - Fortbildung in Partnerschaft" auf, das überregionale deutschsprachige Netzwerk der Zwiegesprächsgemeinschaften in 12 Städten Deutschlands und der Schweiz. Weitere Informationen hierzu unter: www.dyalog.de
Zwiegespräche
entwickeln und vertiefen die Beziehung
"Zwiegespräche vertiefen eine Zweierbeziehung durch eine Fülle
von Momenten, die den meisten nicht bewusst werden, vor allem durch die Steigerung
der wechselseitigen Einfühlung. Sie folgt aus dieser Form des Gesprächs
von selbst, indem jeder dem anderen berichtet wie er sich selbst, den anderen,
die gemeinsame Beziehung und die jeweilige Situation gerade erlebt. Einer macht
sich im wesentlichen Gespräch dem anderen einfühlbar, er wartet nicht
passiv auf die Einfühlung des Partners. Dieser "Austausch von Selbstporträts"
überwindet auf einfache und oft verblüffende Weise die schleichende
"Beziehungslosigkeit in der Beziehung" die nach und nach zu einem
inhaltsleeren Nebeneinander statt einem lebendigen Miteinander führt. Die
Fähigkeit, zu reden und zuzuhören, entwickelt sich von selbst weiter:
learning by doing".
Das grundlegende Zwiegesprächsprinzip lautet demnach:
"Jeder entwickelt sich selbst und hilft dadurch dem anderen, sich selbst zu entwickeln" (Moeller 2002, 152)
Hier eine Kurzanleitung zum Zwiegespräch:
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Jede Hilfsregel ist wohlbegründet. Sie haben sich in einer über 20-jährigen Praxis bewährt. Ich will hier nicht näher auf die einzelnen Hilfsregeln eingehen. Denn nicht umsonst hat Moeller hierzu seine umfangreichen Zwiegesprächsbücher geschrieben und damit seine tiefgründigen Einsichten in das dynamische Paarleben mehr und mehr verdichtet. Ich kann diese Bücher uneingeschränkt weiterempfehlen. Sie sind eine lohnende Investition für ein lebendiges und entwicklungsträchtiges Beziehungsleben.
Was bewirken Zwiegespräche?
Was Zwiegespräche bewirken können sind wahre innere Reichtümer an Einsichten und Fähigkeiten. Moeller hat sie in seinen Büchern immer wieder verdichtet und umschrieben. Einige Beispiele in Stichworten: Selbstoffenheit; Reden lernen; Sich selbst wahrnehmen; Selbstgestaltung; Sich selbst entwickeln; Zuhören lernen; den Partner wahrnehmen; wechselseitige Einfühlung; Abbau von Projektionen; Sich wechselseitig anerkennen; Erweitern und Vertiefen der Beziehung; Erkennen der Übertragungen; Entwickeln der Beziehung; Bindungsfähig werden; Vertrauen lernen; Angstfähig werden; Dialogfähig werden; Konfliktfähig werden; Kompomissbereitschaft; Flexibler werden; Kreativ werden; Erotischer werden; wechselseitige Sympathie; Mitfühlend werden; Geduldiger werden; Realistischer werden; Abbau des allzu strengen Gewissens; Einsicht gewinnen; Lebendiger werden; Selbstbewusster werden; Entscheidungsfähiger werden; Handlungsbereiter werden; Politischer werden; Toleranter werden; Gute Laune gewinnen; Gesünder werden; Glücklicher werden; Geborgenheit...
Ich denke, wenn wir grundsätzlich den magischen Moment der Verliebtheit ergründen, dann können wir auch eine aushäusige Verliebtheit besser verstehen. Deshalb:
Verliebtheit: die Liebe auf den ersten Blick? Wenn wir in unserem Lieben seelisch offen und bereit sein können, dann kann es passieren: Verliebtsein stellt sich schlagartig ein, wie ein Blitzschlag! Mit intuitivem Scharfsinn erkennen wir einen Menschen als potentiellen Liebespartner, bevor man über ihn ausreichend Informationen zur Verfügung hat. Intuition ist sekundenschnelle, unmittelbare Gewißheit. Die "Intelligenz des Unbewußten" signalisiert: Passung!
Oder ist der springende
Funken der Verliebtheit vielleicht doch nur ein bloßes Strohfeuer, ein
Illusion, ein Täuschung, ja, eine Projektion des eigenen Wunschbildes auf
einen ersehnten Partner, den man noch gar nicht kennt und somit oftmals verkennt?
Also doch erst einmal geduldig prüfen, was sich da verbinden will?
Ich finde es bemerkenswert, dass die beiden bedeutendsten Paarexperten im deutschsprachigem Raum, Michael Lukas Moeller und Jürg Willi, im Jahre 2002 in ihren neuesten Buchveröffentlichungen folgende übereinstimmende Erkenntnis betonen:
"Die Liebe auf den ersten Blick erscheint weit treffsicherer, als vermutet. Es ist, als wären Menschen fähig, in Sekundenschnelle intuitiv die wesentlichen Aspekte eines potentiellen Liebespartners zu erfassen" (Willi 2002, 17).
Und Moeller klärt diesen magischen Moment der Verliebtheit annähernd auf:
"Was geschieht, wenn es zwischen zweien funkt? Die Liebe auf den ersten Blick zeigt es in aller Offenheit: In wenigen Sekunden unbewusster Kommunikation ist alles geschehen, das heißt wechselseitig vermittelt. Was? Die Gesamtheit zweier Lebensgeschichten. Das Bewusstsein vieler hinkt hinterher und merkt erst Tage, Wochen, Monate, ja oft genug Jahre später, was wirklich war (...)
Jede Person, der ich begegne, spricht bei mir andere Beziehungsbereitschaften an. Fasziniert mich jemand stark, dann korrespondiert sein Unbewusstes mit meinem Unbewussten erstens besonders umfangreich (quantitativer Aspekt) und zweitens sehr speziell (qualitativer Aspekt). 'Unbewusstes erkennt Unbewusstes irrtumslos', sagt die Psychoanalyse. Das ist für mich die Haupteinsicht in die Paardynamik. Denn sie bedeutet beispielsweise: Von Anfang an erfasst die Partnerwahl den ganzen Menschen - auch wenn wir später zu klagen beginnen, dieses und jenes hätten wir einfach nicht gesehen. Auf nicht wiederholbare Weise bilden die ersten Sekunden eine einzigartige Beziehungsstruktur aus ..." (Moeller 2002, 10f.).
In diesem Sinne ist die Verliebtheit in gewisser Weise ein Garant, dass zwei
zusammenpassen. Anders gesagt: Nur wenn die seelische Passform der Partner
stimmt, springt der Funke über. (Durch welche Faktoren die eigene seelische
Passform im Laufe eines Lebens geprägt wird, erkundet Moeller weitergehend
in atemberaubender Präzision - vgl. hierzu: Moeller 2002).
So weit, so gut. Doch warum
hört das anfängliche Knistern der Verliebtheit in vielen Liebesbeziehungen
irgendwann auf? Noch schlimmer: es kriselt und was einmal reizte, reizt nun
bis aufs Blut. Da scheint nichts mehr zu stimmen...
Aufgrund seiner langen Beschäftigung mit diesem Thema kommt Moeller hier
zielsicher zur folgenden Einsicht: "Der Kardinalfehler ergibt sich aus
der Bewusstlosigkeit für die Bedingungen der eigenen bedeutendsten Bindung
und aus der Ahnungslosigkeit, wie eine Beziehung zu führen ist. Daraus
resultiert eine Fehlentwicklung" (12). Weitergehend bringt Moeller
hier Licht ins Dunkle: es gilt, erneut die magischen Momente der ersten Begegnung
vor Augen zu führen! "Es geht darum, die eigenen ersten Minuten wachzurufen
und aus ihnen einen praktisch höchst bedeutsamen Erkenntnisgewinn zu schöpfen:
jene besten persönlichen Liebes- und Lebensbedingungen nämlich, die
damals vorlagen und zu der berauschenden Lebendigkeit der Verliebtheit führten.
Was damals möglich war, kann auch heute wieder seine Wirkung entfalten"
(17).
Wie kann also das prickelnde
Gefühl der Verliebtheit in der Zeit der ersten Begegnung partnerschaftlich
wiederbelebt werden?
Moeller betont hier die Bedeutung eines themenzentrierten Zwiegesprächs.
Ein solches themenzentriertes Zwiegespräch kann durch folgende Fragestellungen
bestimmt werden (vgl. hierzu: Moeller 2002, 183ff.):
"Wie erleben wir unsere augenblickliche Beziehung?"
"Wie erlebten wir unsere "ersten drei Minuten?"
"Welche drei Eigenschaften faszinierten mich an dir so sehr, dass ich mich verliebte?"
"Falls eine (oder mehrere) der angegebenen Eigenschaften körperlich war: welche seelische Bedeutung hatte diese Eigenschaft?"
"Was waren die drei besten Eigenschaften unserer Verliebtheitsbeziehung?"
"Welche Bedingungen waren zur Verliebtheit gegeben, und wie sind sie heute in die Architektur des Alltags einzubauen?"
Mit diesen Fragen kann das Paar Einblick in die eigenen Beziehung gewinnen und die Beziehung grundlegend wiederbeleben. Nochmals Moeller:
"Wir vergeuden die Liebe, indem wir ihre Bedingungen außer Acht lassen. (...) Es gibt im Grunde keine wirklich zerbrochenen Ehen, die einstige Verliebtheit ist der Garant, es gibt nur nicht gelungene" (14).
Ach, was ist es bloß,
das dazu führt, dass man in manchen Zeiten die Lust auf andre in sich
spürt?
Obwohl man sich in seiner Liebesbeziehung glücklich wähnt, kennen
viele den gewissen Blick auf andere Menschen. Nur insgeheim gestehen sich viele
ein, dass es mehrere Menschen gibt, die einen faszinieren, anziehen und beleben
können. Doch Vorsicht: da könnte man sich ja verlieben!? Soll ich
,darf ich, kann ich das? "Appetit holt man sich draussen, gegessen wird
zu Hause", beschwichtigen sich die einen. Allein schon der Gedanke daran,
dass es mehrere Menschen gibt, die mich ähnlich beleben könnten wie
mein endlich gefundener Liebespartner, versetzt die meisten in Angst und Schrecken.
Ein erdrosselndes Gefühlsknäuel aus Verlassenheitsängsten, Schuldgefühlen,
Scham ... schnürt den verheißungsvollen Möglichkeiten die Luft
weg. Kein Wunder, dass hier viele nach dem Motto "was der andere nicht
weiß, macht ihn nicht heiß" sich einander verheimlichen. Vor
allem aus der Angst, den anderen zu verletzen und verlassen zu werden, verwehrt
man sich und dem anderen die Möglichkeit zur Offenheit. Damit versperrt
man sich aber den Zugang zum Verstehen des eigenen Beziehungslebens. Mehr noch:
"Wer aber schweigt, verletzt noch mehr als mit Offenheit, weil er den
anderen der Chance beraubt, sich auseinander zu setzen. Er entmündigt ihn
damit" (Moeller 2000, 267). "Das Geheimnis der Offenheit liegt
in der Chance, die allein sie bietet: die seelischen Vorgänge und damit
sich und den anderen wirklich verstehen zu lernen" (Moeller 1998, 323).
Paare, die sich über die eigenen Verliebtheitsbedingungen auseinandergesetzt haben (siehe dazu die Fragen oben), gewinnen leichter die Einsicht dahingehend, dass die eigene Liebesbeziehung relativ ist: "Du bist für mich äußerstenfalls der Bestmögliche, du kannst mir aber nicht alles sein! Der unleugbare Vorzug des anderen ist der, dass er in mir Entwicklungs- Erlebensmöglichkeiten herausliebt, die du, mein Liebster/meine Liebste, so nicht erschließen kannst." Eine wohl realistische Einschätzung, die aber schmerzt. Und die Eifersucht und Rachefurcht lauern dann auch schon auf, wenn es einem nicht gelingt, wesentlich miteinander zu sprechen.
Sicher gibt es auch Paarbeziehungen,
in denen eine aushäusige Verliebtheit dazu benutzt wird, verdrängte
Konflikte in der Partnerschaft zu lösen bzw. im eigenen Selbst zu vernachlässigen
und somit seelisch zu flüchten. Doch wenn es einem Paar gelingt, sich über
das jeweilige seelische Erleben wesentlich auszutauschen, dann gewinnt das Paar
genügend Einsicht in die eigentlichen Beweggründe. Dies ist ja
der wesentliche Punkt! Wie das gelingen kann, soll im folgenden dargelegt
werden:
Für Michael Lukas Moeller kann eine aushäusige Verliebtheit eine "glückliche Krise" bedeuten .
"Krisen haben anders als gemeinhin geglaubt stets einen glücklichen Kern. Denn sie bedeuten eine innere Initiative, ein höchst aktive Selbstkonfrontation, eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Und so beginnt alle Lebenskunst" (...) "Im Zusammenhang mit glücklichen Krisen ist das Vorgehen, das ich die 'Hebung des Schatzes der Eifersucht' nenne, geradezu richtungsweisend. Es setzt beim Paar nicht zu viel voraus: die Bereitschaft zur Wahrhaftigkeit, die sich nicht hinter dem Argument 'Ich will dich nicht verletzen' versteckt; einen gewissen Mut, sich mit sich selbst zu konfrontieren, und ein genügendes Maß an Leidensfähigkeit, den Trennungsschmerz einerseits und die Schulgefühle andererseits auf sich zu nehmen und auszutragen, schließlich die Einsicht, dass ohne Freiheit auch die Liebe und Lust im eigenen Haus erstickt wird (Moeller 2000, 263f.).
Moeller schlägt für den konstruktiven Umgang mit einer aushäusigen Verliebtheit vier Schritte vor (vgl. hierzu und im folgenden Moeller 2000, 262ff.). Als ich die "Vier Schritte-Methode" zum ersten Mal gelesen hatte, war mir blitzartig klar: GENAU so ist es bei mir schon gewesen, 100%ige Passung, Gedanken fügen sich ineinander, ein gedanklicher Synergieeffekt macht sich deutlich, hier ist der Punkt, wo substantielle Veränderung und Entwicklung möglich wird.
Während Moeller diese
Form des konstruktiven Umgangs mit aushäusiger Verliebtheit vor allem auf
das betroffene Paar bezogen sieht, erscheint mir es sinnvoll, in diesem Zusammenhang
die Gespräche ggf. auch auf den "Dritten im Bunde" auszuweiten.
Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht und will sie in der folgenden Darstellung
mit einfließen lassen.
"Was würde ich denn tun, wenn meine Partnerin sich in einen anderen verlieben würde?" Mit dieser hypothetischen Frage werde ich meine Erfahrungen im Umgang mit einer aushäusigen Verliebtheit im Zusammenhang mit der Vier-Schritte-Methode von Moeller im folgenden darstellen. Nochmals:
Zunächst würde
mich das stark berühren. Ich bin nicht frei von Eifersucht, von Neid, von
Mißgunst.... Ich würde jedoch nach einem konstruktiven Umgang mit
diesen Gefühlen suchen. Ich würde versuchen, nicht aus der Liebe auszusteigen,
sondern in meiner Liebe zu ihr treu zu bleiben. Was zählt und mich trägt,
ist meine grundlegende Entschiedenheit: "Mit dir will ich ein gemeinsames
Leben führen, ich will dich nicht belügen, ich will dich unterstützen
und deiner Entwicklung dienen, so gut ich kann. Ich will für dich präsent
sein, will mit dir ein sexuelles Leben führen, das nicht durch Alltäglichkeit
erstickt wird. Ich will dafür sorgen, dass genügend Spannung und Abstand
zwischen uns bleibt, damit wir uns immer wieder von neuem begegnen können.
Ich will die wichtigsten Entscheidungen (Kinder, Wohnort, Beruf) mit dir zusammen
treffen und in meiner Liebe zu dir treu bleiben, komme was wolle...
So würde ich mich als nächstes um Verständnis und Verständigung bemühen. Dabei würde ich folgende Fragen klären wollen:
1. "Welche Eigenschaft(en) hat der andere mir voraus?" "Welche Vorstellungen mach ich mir über die Vorzüge meines 'Rivalen'?"
Es geht hier um die dunkle
Seite, die einem nachts um halb drei quält. Ich versuche hier meine eigene
Vorstellung zu ergründen. Ich habe festgestellt, das sie selten der
Wirklichkeit entspricht, da sie von Angst und Eifersucht bestimmt wird. Ich
habe auch gemerkt, wie wichtig es ist, diese Vorstellung auszusprechen und zu
überprüfen. Wenn ich da die Beziehung zur mir selbst kläre und
meiner Partnerin von meinen Vorstellungen erzähle, bewegt sich schon viel.
In diesem Zusammenhang machte ich auch schon folgende Erfahrung: Eines Tages
suchte ich Kontakt zu dem Mann, in den sich meine Partnerin verliebt hatte.
"Ich will den Mann kennenlernen, der meine Freundin liebt!", sagte
ich ihm. Ich machte ihm deutlich, dass ich von mir aus das Gespräch mit
ihm suchte und mich für ihn und seine Empfindungen, Gedanken usw. interessierte.
Ich wollte ihm auch über meine Empfindungen und Vorstellungen erzählen.
Dabei ging es um Fragen wie: "Was liebst Du an ihr?", "Was denkst
du über unsere Beziehung?", "Was denke ich über Deine Beziehung
zu ihr?", "Was wünschst Du Dir in dieser Beziehung?", "Welche
Befürchtungen hast Du?", "Wie arrangieren wir unsere unterschiedlichen
Beziehungen?" Wir sprachen somit radikal über unsere Gefühle,
Erwartungen, Verletzlichkeiten, Ängste usw., so dass zwischen uns letztendlich
eine große Sympathie entstand. Daraus entwickelte sich eine außergewöhnliche
Freundschaft, in der wir uns verrückterweise wechselseitig in unserer Liebe
zur gleichen Frau unterstützt haben.
In diesem Zusammenhang ist mir auch die Einsicht bewußt geworden, dass
jeder Kontakt, den wir eingehen, etwas anderes bedeutet. Keiner ist mit einem
anderen letztlich identisch. Und jeder muss seinen ganz eigenen Ausdruck finden.
Die Liebe zu einem Menschen muss von daher nicht die Liebe zu einem anderen
ausschließen. Was z.B. meine Partnerin in der Liebe zu mir erlebt, kann
sie so in einer anderen Liebe, mit einem anderen Mann gar nicht erleben, obwohl
sie mit ihm dieselben Sachen macht. Umgekehrt gilt das natürlich auch:
was sie mit ihm erlebt, kann ich mit ihr so nicht erleben.
Grundsätzlich ist mir hier klar geworden: Ein wichtiger Schritt für
einen konstruktiven Umgang mit einer aushäusigen Verliebtheit ist also,
dass ich für mich selbst zugänglich bleibe, indem ich mich zunächst
meiner Eifersucht, meinem Konkurrenz- und Rivalitätsdenken radikal stelle
und mich darin mitteile und die Verständigung suche.
2. Zudem versuche ich mit meiner Partnerin folgende Fragen zu erkunden: "Welche Vorzüge siehst Du in der Beziehung zu Deinem Geliebten, die Du in der Beziehung zu mir nicht hast?" "Welche Eigenschaften faszinieren Dich so sehr, dass Du Dich in ihn verliebt hast?" "Welche Eigenschaften hat diese Verliebtheitsbeziehung für Dich?"
In diesem Zusammenhang wird mir deutlich, dass ich für meine Partnerin
äußerstenfalls der Bestmögliche bin, nicht aber alles sein kann.
Ein anderer ist anders als ich selbst, und genau das ist sein unleugbarer Vorzug.
Es gibt also in unserer Liebesbeziehung Lebens- und Entwicklungsbereiche, die
wir beide nicht gemeinsam erschließen können.
Zudem kann einem hier klar werden, dass Verliebtheit ein Entwicklungsimpuls
für den Partner/die Partnerin bedeuten kann: zum Beispiel als Selbstentfaltungsbedürfnis.
Hier höre ich meine Partnerin folgendes sagen:
"Was
ich tue ist nicht gegen dich - ich tue es für mich und alles, was wirklich
für mich ist, ist letztlich auch immer für Dich! Es ist Ausdruck meiner
Sehnsucht nach Leben - für mich, aber auch für uns beide".
Ich unterbreche mit der Frage: "Aber warum müsst ihr miteinander schlafen?"
Und ich höre die Antwort: "Dies gehört zu meinem ganzen Erleben
dazu. Das Sexuelle ist für mich das Zentrum meiner eigenen Lebendigkeit.
Dies bedeutet nicht, dass ich unter einem Zwang stehe, es zu tun, aber ich will
mich auch darin erleben, nicht nur, damit ich es mal erlebt habe, sondern vor
allem darum, weil ich die Beziehung zu ihm ehren will und weil ich meiner seelischen
Hingabe auch einen körperlichen Ausdruck verleihen mag. Es ist für
mich wichtig. Ich tue das jetzt, was Du und ich miteinander auch getan haben
- die Konzentration auf die Liebe als der einzigen Kraft, die Leben fördert.
Das, was ich in meiner Liebe zu einem neuen Mann entdecke, was ich lieben lerne,
führt mich zu mir selbst. Ich entdecke mich neu und ganz anders. Ich
lerne mich auf eine andere Weise neu zu lieben. Dadurch komme ich Dir näher,
auch wenn Du es vielleicht nicht glauben kannst, oder wenn Dich irritiert, dass
dies vielleicht durch eine anderen Mann geschieht. Die neue Liebe, die ich zu
Dir spüre, ist wirklich ein Kind der Freiheit, auch besonders der Freiheit,
die Du mir schenken kannst. Das Leben und die Liebe sind größer als
wir alle. Ihre Kräfte sind für uns da, sie wollen uns dienen, so auch
wir ihnen dienen können"
Diesen schwer greifbaren Vorgang erlebte ich bis jetzt immer wieder: in einer Beziehung, in der eine erotische Beziehung zu anderen Partnern dadurch möglich ist, dass beide es innerlich verantworten können und indem jeder für sich seine Identität weiterentwickelt, können beide eine neue, reifere Gemeinsamkeit gewinnen.
3. "Welcher gemeinsame Nenner lässt sich in Deiner und meiner Vorstellung entdecken?"
Diesen Schritt umschreibt Moeller folgendermaßen: "Nun versucht das Paar, für den Schwarzpunkt, den nagenden Eifersuchtsschmerz, und den Lichtpunkt, die faszinierende Eigenschaft des neuen Geliebten, den gemeinsamen Nenner zu finden. Dieser Nenner ist immer gegeben. Er umgrenzt das gemeinsame Thema des unbewussten Zusammenspiels" (267).
Ein gemeinsamer Nenner kann zum Beispiel in einer bestimmten Situation durch folgende Frage deutlich werden: "Wie viel wende ich mir selber zu und wie viel meinem Partner?" Ein Konflikt in vielen Beziehungen.
Stellen wir uns ein Paar vor. Der Mann (Horst) bildet sich beruflich weiter
und will auch dafür Zuhause noch einiges Tun. Seine Frau (Eva) arbeitet
halbtags in einem Büro, eine Tätigkeit, die sie nicht sonderlich ausfüllt.
Die Zeit Zuhause will sie vor allem mit Horst verbringen. So ist sie sie jedesmal
enttäuscht, wenn Horst nicht genügend Zeit für sie findet und
sich mehr um seine Weiterbildung kümmert. Er wiederum ist enttäuscht,
dass sie sich so wenig für seine Weiterbildung interessiert und scheinbar
mit sich selber nichts anzufangen weiß. In dieser Situation lernt Horst
im Weiterbildungskurs eine andere Frau (Britta) kennen und verliebt sich in
sie. Er fühlt sich mit einem Schlag vollständig verstanden. Britta
interessiert sich für seine Arbeit, fragt nach und gibt auch einige Tips.
Britta erscheint ihm auch äußerst selbstbewußt und unabhängig
zu sein, da sie selbst mit Begeisterung ihrer Arbeit nachgehen kann. Zudem ist
sie für ihn eine traumhafte Schönheit. Britta zeigt somit Eigenschaften,
die Eva ihr neidet und eifersüchtig macht: die Fähigkeit, zu sich
selbst zu stehen und dem anderen seine Selbstbeziehung zu lassen. Dies ist auch
genau der Punkt, den Horst so fasziniert: Britta verleugnet nicht sich selbst,
passt sich nicht an, steht auf eigenen Beinen und widmet sich ihm und seiner
Arbeit. Britta hat das Gleichgewicht zwischen Selbstzuwendung und Partnerzuwendung
in sich vereint und sie wird somit Vorbild für Horst und Eva. Horst und
Eva gelingt es momentan als Paar nicht, dieses Gleichgewicht zu erreichen. Dies
ist der gemeinsame Nenner in der Vorstellung von Horst und Eva in Bezug auf
die aushäusige Verliebtheit!
4. "Warum geschieht das beiden uns jetzt?" "Warum sorgen wir beide dafür, dass Du eine parallele Liebesbeziehung hast?"
Bei dieser Frage wird meistens deutlich, dass das Tun des einen das Tun des
anderen bedeutet. Sich in diesem Sinne zu verständigen, fällt wohl
am schwersten. Zu ungeübt sind wir darin, die wechselseitigen Einflüsse
wahrzunehmen. Aber lohnend ist es allemal.
Die geheime, sprich unbewußte Absicht einer aushäusigen Verliebtheit
ist die gemeinsame Emanzipation der Liebesbeziehung. Hierzu Moeller: "In
etwa 80 Prozent der Fälle dient nach meiner Erfahrung eine aushäusige
Verliebtheit als emanzipatorischer Entwicklungsschritt für beide. Was ihnen
miteinander nicht gelingt, wir durch den Umweg über eine andere Person
gelöst" (276).
Letztlich geht es hier um die Frage: "Was will sich in unserem Miteinander emanzipieren und neu strukturieren?"
Dieser
Emanzipationsprozess kann also die Veränderung bzw. Neustrukturierung der
Ursprungsbeziehung bedeuten. Über eine neue Außenbeziehung wird versucht,
eine Entwicklung einzuleiten, die ein Paar aus sich selbst heraus nicht schaffen
kann. Das soll aber
nun nicht bedeuten, dass ein Paar nur über eine aushäusige Verliebtheit
weiterkommen kann. Jedes Paar erzeugt allein schon aus sich heraus ein riesiges
Gebiet an Entwicklungsmöglichkeiten. Dies wird oftmals viel zu wenig genutzt.
Doch im Falle einer
aushäusigen Verliebthei ist viel gewonnen, wenn Paare dies als Entwicklungschance
für die bestehende Beziehung begreifen können.
Will das nun aber heißen,
dass der "Dritte im Bunde" in den meisten Fällen lediglich als
Hebamme für einen neuen Geburtsprozess des Ursprungpaares "funktionalisiert"
wird? Ist also der/die Geliebte letztlich nur Entwicklungshelfer für die
Emanzipationsprozesse einer Paarbeziehung? Aufgrund meiner Erfahrung mit vielen
Paaren denke ich, dass tatsächlich irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem
der/die Geliebte keine Rolle mehr spielt, weil sich das Ursprungspaar neu gefunden
hat. Der/die Geliebte hat dann "ausgedient". Auch in vielen Erfahrungsberichten
von betroffenen Geliebten wird deutlich, dass sie meistens nur die Rolle der
"zweiten Geige" spielen und somit irgendwann ins Hintertreffen geraten.
Dies wird auch von Moeller meines Erachtens viel zu wenig aufgezeigt und beachtet.
Denkt Moeller zu paarzentriert?
Da dieses "Schicksal" des Geliebten in vielen Fällen so ist und
ich das für keinen guten Umgang halte, betone ich immer, dass auch der/die
Geliebte in die Auseinandersetzung miteinbezogen wird. Nur so kann ich mir einen
fairen und offenen Umgang mit allen Beteiligten vorstellen. Es sollten meiner
Meinung nach alle Beteiligten, also sowohl das Paar als auch der/die Geliebte,
miteinander in einer offenen Kommunikation bleiben. So können alle Beteiligten
einen Einblick in das komplexe Beziehungsgeschehen gewinnen und sich seelisch
verorten.
Zudem kenne ich auch einige Paare, bei denen aufgrund einer aushäusigen
Verliebtheit sich die eigene Schwerpunktliebe verändert hat. Der gemeinsame
Entwicklungsprozess endete also damit, dass der/die Geliebte für den einen
Partner zur Hauptbeziehung wurde. Wenn die Beteiligten geübt darin sind,
sich über diesen Entwicklungsprozess zu verständigen, können
die seelischen Schmerzen dabei gelindert und die Veränderungen fair gestaltet
werden. Es gibt tatsächlich Beziehungen, in denen das mit letzter Zufriedenheit
für alle Beteiligten gelungen ist.
Ich
könnte hier noch viele weitere Beziehungsereignisse beschreiben, was aber zu weit führen würde. Denn
so oder so kommt es vor allem darauf an, Freiheit zu lassen und in Beziehung
zu bleiben, sich also nicht zu entziehen. Dies gelingt nur, wenn
man gelernt hat, sich wesentlich auszutauschen. Zwiegespräche sind hierfür
bestens geeignet. So können die unterschiedlichen und gemeinsamen seelischen
Gemenge- und Motivationslagen gesichtet und verarbeitet werden.
Liebesbeziehungen werden durch eine aushäusige Verliebtheit nur dann zerbrechen,
wenn wir es nicht schaffen, uns dazu wesentlich auszutauschen und die tieferen
Weisheiten in allem zu sehen.
Im Zusammenhang mit dem Thema der "aushäusigen Verliebtheit" deutet sich für mich immer wieder an, dass in einer lebendigen Liebesbeziehung irgendwann der Punkt kommen kann, bei dem dann das, was die Liebespartner in ihrer Beziehung erleben, auch auf andere Menschen übergehen will. Die Liebe in einer Zweierliebe verbindet sich da mit der Liebe zu anderen Menschen und sie kann so eine zusätzliche Gestalt annehmen. Diese Gestalt bedeutet eine völlige Neustrukturierung der beteiligten Beziehungen. Dies kann zu neuen und dauerhaften Lebens- und Liebesformen führen, für die wir heutzutage noch gar keine treffende Bezeichnung haben. In Bezug auf solche Beziehungsformen spreche ich bislang noch von einem "Netzwerk erotischer Freundschaften". Solche Netzwerke sind inzwischen ansatzweise im entstehen. In einem solchen Netzwerk wissen all Beteiligten voneinander und stehen mehr oder weniger im wesentlichen Austausch, je nach dem, was die jeweilige Situation (Kinder, Beruf...) erfordert. Es gibt hiermit auf Dauer keine eindeutigen eheähnliche Hauptbeziehungen. Es gibt nur freie Freundschaften. Was trägt, ist die freundschaftliche Basis im Miteinander. Dementsprechend werden die unterschiedlichen Arrangements aufeinander abgestimmt. Jeder macht sich vom Wohlergehen des anderen bewußt abhängig. Denn nur so kann eine feste Basis freundschaftlicher Beziehungen entstehen...
Einer,
der sich meines Erachtens diesem Thema angenähert hat, war Otto Mainzer
(zur Person klicke hier!).
Bemerkenswert finde ich, dass inzwischen sowohl Michael Lukas Moeller als auch
Jürg Willi mit dem "Internationalen Otto-Mainzer-Preis für die
Wissenschaft von der Liebe" ausgezeichnet worden sind.
Abschließend will ich im folgenden ein paar Aussagen von ihm an dieser
Stelle zum Weiterdenken anführen:
"Eine Frau kann mehrere Männer lieben - wie diese mehrere Frauen. Wenn die Geliebten nicht nur erotisch, sondern auch als Freunde instinktgerecht gewählt sind, schließen sie einander nicht aus. Kein liebender Freund wird seine Krallen in den anderen schlagen und ihn als bloßes Objekt seiner Begierde behandeln. Was einen Freund erfüllt, sein Denken anregt, sein Erleben reicher und glücklicher macht, bereichert mittelbar unser eigenes Leben. Die Gesundheit unserer Freunde trägt zu unserer eigenen Gesundheit bei, wie ihre Zufriedenheit natürlicherweise auf uns zurückstrahlt. Wechselseitige Freundschaft ist nicht nur eine Grundbedingung poly-persönlicher Liebe, sondern ihr hygienisches Prinzip: Es schließt sexuelles Sich-Wegwerfen aus, welches mit Freundschaft unvereinbar ist, weil es die Gesundheit, die geschlechtliche Befriedigung oder den Seelenfrieden eines Freundes gefährden könnte.
Liebe ist exklusiv im Sinne der Persönlichkeit, aber nicht ausschließlich im Sinne der Einzahl. Sie ist weder mono- noch polygamisch." (Mainzer 1986, 260f.)"Wo Naturen so geartet sind, dass sie nicht anders als einander erotisch und persönlich gut ergänzen, können sie nicht anders als einander beschenken, und keiner muß sich selbst aufgeben oder etwas einbüßen, falls einer von ihnen noch andere, entsprechend geartete Freunde findet".
Angst vor "Promiskuität" herrscht proportional der Unfähigkeit, persönliche Nuancen wahrzunehmen und wahrhaft menschenwürdige, unverwechselbare Beziehungen zum anderen Geschlecht zu gestalten, wie jene panische Angst, die Bestie losgelassen zu sehen, wenn die Gitterstäbe 1 + 1 erst einmal gebrochen sind".
"Freundschaft ist das persönliche Element, das erotische Wahlverwandtschaft erst zur Liebe machen kann"."Wer liebt, kennt keine Eifersucht....
Wie könnten wir einem Menschen, den wir als Freund erleben, andere Freunde mißgönnen, die sein Leben erhöhen, womöglich in einer Weise, die uns nicht gegeben ist?""Zwei Geliebte einer Frau können einander Freunde werden, so gut wie mehrere Geliebte eines Mannes; die Gesetze der Sympathie gebieten es ihnen sogar, vorausgesetzt, dass die Liebe auf allen Seiten fundiert ist. Denselben Menschen lieben bedeutet nämlich: verwandte Sympathien haben..." (201 ff.).
Bodenmann,
Guy 2002: Beziehungskrisen. Erkennen, verstehen und bewältigen, Bern
Mainzer, Otto 1986: Die sexuelle Zwangswirtschaft. Ein erotisches Manifest,
(Golmann-Verlag, vergriffen)
Moeller, Michael Lukas 1998: Worte der Liebe. Erotische Zwiegespräche,
Reinbek
Moeller, Michael Lukas 2000: Gelegenheit macht Liebe. Glücksbedingungen
in der Partnerschaft, Reinbek
Moeller, Michael Lukas 2002: Wie die Liebe anfängt. Die ersten drei Minuten,
Reinbek
Willi, Jürg 2002: Psychologie der Liebe. Persönliche Entwicklung durch
Partnerbeziehung, Stuttgart